In einer neuen Entscheidung aus dem Juni 2025 hat der Oberste Gerichtshof (GZ: 17 Ob 2/25f) entschieden, dass der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung des Quotenschadens (wegen verspäteter Insolvenzantragstellung) gegen den Geschäftsführer der GmbH nicht aktivlegitimiert ist. Der OGH stellte sich mit dieser Entscheidung gegen die herrschende Ansicht in der Lehre, die die Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters insbesondere aus prozessökonomischen und schlicht praktischen Überlegungen bejaht. Aus unserer Sicht ist die Entscheidung des OGH dogmatisch absolut richtig, aber dennoch führt diese Rechtsansicht unseres Erachtens zu einer praktisch unbefriedigenden Situation und sollte de lege ferenda der Gesetzgeber hier über eine Klarstellung nachdenken.
Ausgangsfall war die Klage eines Insolvenzverwalters gegen einen Geschäftsführer der insolventen GmbH auf Zahlung eines Quotenschadens in Höhe von € 1,2 Mio.
Der OGH unterschied dogmatisch richtig zwischen dem Quotenschaden als Schaden der Insolvenzgläubiger und dem Betriebsverlust als Schaden der GmbH.
Der Quotenschaden der Insolvenzgläubiger folgt aus § 69 Insolvenzordnung, der vorsieht, dass der Geschäftsführer der GmbH bei Eintritt der materiellen Insolvenz ohne schuldhaftes Zögern Insolvenzantrag stellen muss (siehe hierzu den Blogbeitrag „Haftung des (faktischen) Geschäftsführers in der Insolvenz der GmbH“). Diese Pflicht stellt eine Schutzbestimmung zu Gunsten der Gläubiger dar und führt bei Verletzung zu Schadenersatzansprüchen der Gläubiger. Wird nämlich die Insolvenz „verschleppt“ indem der Geschäftsführer trotz Eintritts der materiellen Insolvenz mit der Insolvenzantragstellung schuldhaft zuwartet und somit im Sinne der Terminologie des OGH „weiterwurstelt“ verschlechtert sich regelmäßig die Vermögenssituation der GmbH und somit im Endergebnis die den Gläubigern zukommende Insolvenzquote.
Der Betriebsverlust als Schaden der GmbH folgt aus § 25 Abs. 2 GmbHG, der vorsieht, dass der GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft (GmbH) für einen schuldhaft zugefügten Schaden haftet. Maßstab für die Haftung des Geschäftsführers ist der sorgfältige Geschäftsmann (die sogenannte „Business-Judgement-Rule“, auf die aufgrund des Umfangs der Thematik hier nicht näher eingegangen werden kann). Jedenfalls wird der Geschäftsführer der GmbH dann schadenersatzpflichtig, wenn er schuldhaft die ihm gesetzlich auferlegte Pflicht zur Insolvenzantragstellung (§ 69 IO) verletzt. Zusätzlich sieht § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG vor, dass der Geschäftsführer der GmbH für die Zahlungen, die er nach Eintritt der materiellen Insolvenz tätigt, haftet. Im Ergebnis hat die GmbH gegen den Geschäftsführer daher Anspruch auf Ersatz der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch die verschleppte Insolvenzantragstellung. Diesen Schaden der GmbH kann der Insolvenzverwalter auch einklagen (OGH 17 Ob 2/25f).
Trenker (KTS 2023, 495 [527]) begründet mathematisch, dass der Betriebsverlust (fast) immer höher sein muss als der Quotenschaden. Somit entstünde kein Rechtsschutzdefizit zu Lasten der Gläubiger, weil diese – nach der Geltendmachung des Betriebsverlustes durch den Insolvenzverwalter – einen allenfalls noch übrig bleibenden und darüber hinausgehenden individuellen Quotenschaden nach Abschluss des Insolvenzverfahrens vom Geschäftsführer individuell einklagen können (vgl. AnwBl 10/2025 [597]).
Im Ausgangsfall bestand der Betriebsverlust der GmbH, den der Insolvenzverwalter auch einklagen kann, jedoch nur im Ausmaß von € 470.000,-. Die Differenz auf die eingeklagten € 1,2 Mio. (als Quotenschaden) wurde vom OGH abgewiesen, weil diesen Schaden der Insolvenzverwalter nicht einklagen kann.
Im Ergebnis ist das – wie eingangs angesprochen – dogmatisch absolut richtig, weil der Quotenschaden im Unterschied zum Betriebsverlust ein Schaden der Gläubiger ist. Der Insolvenzverwalter ist gewissermaßen (gesetzlicher) Vertreter der insolventen GmbH und somit nur zuständig, einen Schaden der GmbH, nicht aber einen Schaden der Gläubiger geltend zu machen. Letzterer Fall würde zivilprozessrechtlich eine Prozessstandschaft darstellen (jemand prozessiert im eigenen Namen über ein fremdes Recht). Eine Prozessstandschaft ist nach dem Zivilprozessrecht nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig (bspw. § 84 Abs. 5 AktG).
Dass der Insolvenzverwalter über ein fremdes Recht (Quotenschaden der Gläubiger) prozessieren könnte, folgt aus dem Gesetz nicht.
Der Ausgangsfall zeigt, dass der Quotenschaden offenbar doch (deutlich) höher sein kann als der Betriebsverlust und es wäre – hier ist der herrschenden Lehre beizupflichten – prozessökonomischer und praktisch sinnvoller, wenn der Insolvenzverwalter auch den Quotenschaden der Gläubiger (mit)einklagen könnte. Immerhin – und das ist doch sehr wesentlich – ist es dem einzelnen Gläubiger in aller Regel nicht möglich, zu beurteilen, wann die materielle Insolvenz überhaupt eingetreten ist und wie hoch der individuelle Quotenschaden überhaupt ist. Der Insolvenzverwalter hingegen hat kraft seines Amtes tiefen Einblick in die Vermögenssituation der GmbH und kann diese Frage viel leichter beantworten.
Es liegt daher unseres Erachtens de lege ferenda am Gesetzgeber, hier eine gesetzliche Prozessstandschaft einzuführen und dem Insolvenzverwalter somit die Durchsetzung (auch) des Quotenschadens der Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen.
Dieser Blogbeitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
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